Appell zum 8. Mai als "Gedenk- und Feiertag"
Am 8. Mai 2020 jährte sich zum 75. Mal das Ende und der Neubeginn: Das Ende einer unglaublichen und immer wieder erschütternden Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Deutschland mit Millionen Mord- und Kriegsopfern - und der militärischen Niederlage Deutschlands. Zugleich ist dieser Tag eine Zäsur, die einen demokratischen Neubeginn in diesem Land ermöglichte. Vielfältig kann jede Stadt, jedes Dorf diese historischen Entwicklungen selbst erforschen und mit den Menschen der Gegenwart diskutieren. Der Verein Mahnmal Kilian hat in diesem Jahr nicht nur besonders auf die militärische Übergabe des Marineoberkommandos Ost an die britischen Alliierten am 7. Mai 1945 im Flandernbunker hingewiesen (s. Kieler Nachrichten vom 6.5. und 7.5.), sondern auf dem "Bombenopferfeld" des Parkfriedhof Eichhof auf die vielfältigen Opfer unter den Zwangsarbeiter*innen und Häftlingen von Konzentrationslagern und dem einstigen "Arbeitserziehungslager" in Kiel-Russee (s. Kieler Nachrichten vom 2.5.). Besonderes Gedenken galt dort den 25 Opfern der Katastrophe um die "Cap Arcona" vom 3. Mai 1945, der vermutlich 7.000 Häftlinge aus Konzentrationslagern zum Opfer fielen - die wohl schlimmste Hinterlassenschaft des NS-Regimes in Schleswig-Holstein.
Nun ist auch dieser 75. Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands vorüber - und es fragt sich, wie ernst es unserer Gesellschaft ist, auch über dieses Datum hinaus jenes schreckliche Erbe zur Mahnung und zur Orientierung zur Menschlichkeit in Erinnerung zu halten. Der Verein Mahnmal Kilian hat daher einen Aufruf gestartet, eine Petition, einen Appell an unsere Politiker*innen, sich für einen öffentlichen Gedenk- und Feiertag in Schleswig-Holstein einzusetzen. Ziel sollte ein bundesweiter und vielleicht sogar europäischer Tag des Gedenkens und des Feierns sein - einerseits des Gedenkens an die Opfer und Verbrechen, andererseits des Feierns der Überwindung dieser Verbrechen und des Neustarts in ein friedliches und demokratisches Europa. Gerade letztere gesellschaftlichen Werte sind nicht selbstverständlich - und vielfach schon heute wieder gefährdet. Für sie muss daher auf verschiedenen Ebenen beständig gearbeitet werden. In unser Stadt Kiel, jener ehemaligen "Reichskriegshafenstadt" und ehemaligen "Gauhauptstadt" des NS-Regimes mit den besonderen Spuren von Verbrechen und Militarismus, ist dies von hoher Bedeutung.
Wir veröffentlichen darum unseren Kieler Appel am Ende dieser Nachricht und bitten, sich dem anzuschließen. Der Verein Mahnmal Kilian lehnt sich damit an weitere Appelle an, z. B. der KZ-Überlebenden Esther Bejarano für einen "Feiertag" oder der vom Verein Mahnmal Kilian 2012 mitbegründeten Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte für einen landesweiten "Gedenktag". Einige Bundesländer haben diesen Tag bereits zum offiziellen Gedenktag erklärt (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Bremen und einmalig 2020 Berlin). In Italien wird der "Tag der Befreiung" am 25. April begangen, in Russland und anderen ehemaligen sowjetischen Staaten wird das Kriegsende am 9. Mai als "Tag des Sieges" gefeiert. Unser Appell konzentriert sich zwar aktuell auf Kiel und Schleswig-Holstein, zielt aber auf einen europäischen gemeinsamen Tag - was auf jeden Fall noch ausführlich zu diskutieren bleibt.
Appell an europäische Politiker*innen:
- Mai als staatlicher europaweiter Gedenk- und Feiertag
Schon lange wird er von verschiedenen Gruppen öffentlich gefordert: Der 8. Mai als staatlicher Feiertag. Die Überlebende der Gräuel des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, Esther Bejarano ist die wohl prominenteste Vertreterin dieses Begehrens. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsorte Schleswig-Holstein (LAGSH) hat einen Aufruf gestartet.
Der Verein Mahnmal Kilian schließt sich dieser Forderung an: Der 8. Mai, an dem vor 75 Jahren der mörderische Zweite Weltkrieg und damit auch das verbrecherische deutsche Regime beendet wurde, ist von weltweiter symbolischer Bedeutung für die Notwendigkeit von Frieden und Völkerverständigung, für die Menschenrechte und ein demokratisches Miteinander der Gesellschaft.
Der Hintergrund der Grenzüberschreitungen des deutschen Unrechtssystems mahnt diese sozialen Errungenschaften an und fordert sie ein. Darum muss der 8. Mai nach Möglichkeit ein europaweiter staatlicher „Gedenk- und Feiertag“ werden, der sowohl das Erinnern an die negative Vergangenheit als auch den Aufbruch zum Positiven zum Thema hat.
Alle Menschen, die diesen Appell unterstützen möchten, können dies auch über den Verein Mahnmal Kilian tun:
- per E-Mail an info@kriegszeugen.de mit Vor- und Zunamen sowie der Postanschrift
- per Briefpost mit Vor- und Zunamen, Postanschrift und Unterschrift an Mahnmal Kilian e.V., Kiellinie 246, 24106 Kiel
- per Eintrag in eine Liste im Flandernbunker
Wir bitten wegen möglicher Veröffentlichungen der Namen und Orte (keiner weiteren Daten) um den Zusatz „öffentlich“ oder „nichtöffentlich“
Für den Vorstand des Vereins - Dr. Jens Rönnau
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Bildnachweise:
1. Brennende Cap Arcona am 3. Mai 1945 vor Neustadt (c) Royal Air Force.
2. Flandernbunker, um den 8. Mai 1945 - Erfassung deutscher U-Bootsoldaten durch britische Alliierte (c) Imperial War Museum Nr. A-28595
3. Gedenken an die Opfer der Cap Arcona auf dem Parkfriedhof Eichhof durch die Friedhofsverwaltung und den Verein Mahnmal Kilian 2020 (c) Kieler Nachrichten, Uwe Paesler.