Das Kriegszeugenprojekt

Ziel des Kriegszeugenprojektes ist es, das Wissen einer Generation, welche die Schrecken eines Weltkrieges noch aus eigener Anschauung kennt, für die Nachwelt zu erhalten, damit das Wissen und die Erfahrungen nicht verloren gehen. Die Betroffenen, die vielfach berichten, dass keiner mehr die "alten Geschichten" hören will, sollen eine Stimme erhalten.

Interview eines Zeitzeugen
Interview eines Zeitzeugen

Dazu müssen die Erlebnisse der Zeitzeugen dokumentiert werden. Zwei Interviewer aus dem zehnköpfigen Projektteam treffen sich mit den Zeitzeugen aus dem Raum Kiel und lassen diese ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen aus Kriegs- und Nachkriegszeit berichten. Dies kann bei den Zeitzeugen zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung oder auf Wunsch auch in den Räumen des Vereins geschehen. Mit dem Einverständnis der Zeitzeugen werden ihre Erzählungen mit einem digitalen Aufnahmegerät festgehalten, damit keine Details verlorengehen. In einigen Fällen werden Interviews auf Videoband dokumentiert.

Transkription am PC
Transkription am PC

Die Interviews werden dann im Kriegszeugenbüro archiviert und in eine schriftliche Form überführt (sog. Transkription). Selbstverständlich wird jedem Zeitzeugen auf eigenen Wunsch eine Kopie seines Interviews zur Verfügung gestellt.

Sichtung von Unterlagen
Sichtung von Unterlagen

Vielen Zeitzeugen stellen uns außerdem persönliche Dokumente wie Fotos, Briefe, Tagebücher u.a. zur Verfügung, die eine hervorragende Ergänzung zur mündlichen Überlieferung darstellen.

Eine aktuelle Ausstellung aus Teilen des Interviewmaterials ist im "Flandernbunker" zu sehen, außerdem ist ein kurzer Dokumentarfilm mit Ausschnitten aus Videointerviews im Kriegszeugenbüro erhältlich.

Wenn auch Sie mit Ihrer Geschichte zum Zeitzeugenprojekt beitragen möchten, können Sie gerne unter Kontakte Verbindung zum Verein aufnehmen.

Ausstellung

Ein erster Höhepunkt der Arbeit des Kriegszeugenprojekts unter Beteiligung der Stadt Kiel war die Ausstellung "Bunker - Bomben - Menschen, Zeitzeugenberichte und historische Fotos", die vom 8. Mai bis 31. August 2008 im "Flandernbunker" gezeigt wurde. Aus den Zeitzeugenberichten wurden Textpassagen ausgewählt, die speziell das gewählte Ausstellungsthema beleuchteten: Themen wie Kriegsbeginn, Bunker in Kiel, Luftangriffe, Leben mit dem Alarm, Schulalltag und Kinderlandverschickung, Zwangsarbeit, Arbeitserziehungslager Nordmark, Kriegsende. Durch zahlreiche aussagekräftige Fotos konnten die Erzählungen der Kriegszeugen eindrucksvoll ergänzt werden. Originale Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg und ein Video mit Zeitzeugenberichten vervollständigten die multimediale Präsentation der Erlebnisberichte.

  

Zeitzeugen erinnern sich

Es ist Krieg

Wir wohnten im Forstweg und meine Mutter war bei Urban, einem Lebensmittelladen an der Ecke, und ich war irgendwie auf der Straße. Es war so gegen Mittag und meine Mutter kommt mir entgegen. Sie hat da erfahren, dass ab so und so viel zurück geschossen wird. So hieß es! Sie hat mich empfangen und gesagt: 'Es ist Krieg, Lisa, jetzt sind die Ersten schon gefallen.' Nachts um zwei klingelte es bei uns an der Tür und mein Vater wurde geholt. Ein paar Tage wussten wir nicht, wo kommt er nun hin und dann waren wir etwas beruhigt, dass er in Kiel bleiben konnte, weil er nämlich ja schon Infanterieleutnant gewesen war und er kam zur Marineartillerie.

Lisa Dröge, geboren 1928

Verschüttet

Wir sind dann in den Keller gelaufen und haben uns mit dem Rücken gegen diese Bohlwand gesetzt. Die war als Splitterschutz gedacht von der Straße her, da war nämlich so ‘n Souterrainfenster. Ich hab‘ zur Wand hin gesessen, denn kam mein Vater und außen saß meine Mutter mit meinem kleinen Bruder auf dem Arm. Dann hat es ganz fürchterlich gescheppert und die Wand kam uns entgegen. Da hinten auf‘ m Hof, da war ‘ne große Stellmacherei, und da ist ‘ne Luftmine ‘reingegangen. Und die hat das halbe Haus zum Einstürzen gebracht, gerade wo wir gesessen haben. Meine Großmutter wohnte zwei Häuser weiter und kam auf die Straße. Sie hat gesagt: 'Unsere Kinder sind da unten.' Und sie hat darauf bestanden, dass Nachbarn uns ausgegraben haben. Die haben erstmal die oberste Steinschicht weggeräumt, damit die Köpfe frei waren und wir Luft kriegten. Mein Vater hat gesagt, wir sollten alle ruhig bleiben, wir sollen nicht schreien. Mir ist die Schädeldecke eingedrückt worden von herabfallenden Steinen. Meine Mutter hatte einen Schlüsselbeinbruch. Das war allerdings das Einzige, was uns passiert ist.

Erhard Jühlke, geboren 1937

Immer wieder ausgebombt

Im Hollwisch sind wir etliche Male ausgebombt worden. Da waren wir erst bei unserer Nachbarin, deren Schwester, die in Freudenholm war. Da wurden wir ausgebombt, dann nachher gegenüber wieder. Und dann nochmal weiter ausgebombt. Meine Mutter hatte denn so ‘ne bombenbeschädigte Wohnung genommen. Im Kirchenweg, weil in Ellerbek auch alles kaputt war. Im vierten Stock, da war kein Geländer - nichts. Ohne irgendwas. Da sind wir auf allen Vieren hochgegangen. Es gab keine Fensterscheiben. Und am Fußende hatten wir ‘ne Waschschüssel, weil es da ‘rein regnete. Wir hatten so ‘nen alten Kanonenofen. Meine Mutter hat dann auch immer Holz gesammelt. Und dann glühte der, und wenn der aus war, war‘s kalt.

Luise Sell, geboren 1931

Kriegstorte

Dann gab es eine Apfelsine mal zugeteilt pro Kopf. Wir haben Stunden dafür angestanden. Dann haben wir die meiner Mutter gegeben. Und die hat uns eine Apfelsinentorte daraus gebacken. Sie hatte noch Puderzucker aufbewahrt. Als Guss drüber, und da wurden die Apfelsinenstücke so reingelegt. Also, das war eine herrliche Torte. Kriegstorte. Und in der Nacht kam Fliegeralarm. Wir waren alle im Keller. Und dann sauste bei uns eine Luftmine runter. Und die Glassplitter kamen alle rein. Und die ganze Apfelsinentorte durften wir wegwerfen. Um diese Torte, da haben wir am meisten geweint. Das hätten nicht sein dürfen. Dass die abends in der Küche stehen blieb.

Loreliese Plath, geboren 1925

Im Flandernbunker

Hier waren die Bänke an den Seiten. Es war ein großer Raum hier. Ja. Hier haben wir an den Wänden gesessen. Wir haben uns, wenn‘s irgend ging, immer in der Nähe von Soldaten aufgehalten. Weil wir wussten, da waren wir sicher. Oftmals sangen die Soldaten. Der Hochbunker schaukelte ja, wenn er getroffen wurde. 'Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei!' Die Soldaten haben gesungen, um auch das Weinen der Kinder zu unterdrücken. Eine Mutter sagte: 'Lieber Gott! Falten Sie die Hände.' Und da sagte dieser kleine Junge: 'Mama, es gibt keinen Gott! Ich will nie mehr im Leben beten!' Einen Krieg kann sich niemand vorstellen! Sie können keinen Krieg erzählen, denn ein Krieg hat kein Gesicht!

Anneliese Kahl, geboren 1928

Arbeitserziehunglager Nordmark

Diese dienstverpflichteten Russen, die durften alleine in die Stadt und zurück gehen, im Gegensatz zu den Insassen von dem AEL oder von dem KZ, sag ich mal ruhig, die waren unter strengster Bewachung. Und diese Elendszüge wurden ja durch die Hasseer Straße geführt. Morgens hörte man ja dieses Klappern der Schuhe und abends, wenn die zurück kamen, trugen sie sehr häufig Tote bei sich. Entweder so auf ‘rausgebrochenen Türen – sie mussten ja Trümmer in Kiel beseitigen. Einmal hatte ein etwas stärkerer Häftling einen so über die Schulter geworfen. Der war also so dünn, einen Bauch hatte der gar nicht. Das Vorderteil hing so runter und die Beine hinten. Ein furchtbarer Anblick. Dieses Arbeitslager ist im Sommer ‘44 erst erbaut worden und im Mai ‘45 war es ja zu Ende, und in dieser Zeit sind da über 600 Menschen umgekommen. In der letzten Nacht bevor die Engländer kamen, sind da noch 300 Menschen erschossen worden und da das in unserer Nähe war, haben wir also dieses Maschinengewehrfeuer gehört.

Karen Krämer, geboren 1926

Der Verein sucht Zeitzeugen

Wenn auch Sie mit Ihrer Geschichte zum Zeitzeugenprojekt beitragen möchten, dann können Sie gerne unter Kontakte Verbindung zum Verein aufnehmen.