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Lesung - Ein deutsches Jahrhundert in Familienbildern

Bogislav-Tessen von Gerlach: „Hohenstein. Ein deutsches Jahrhundert in Familienbildern“

Dienstag, 25. Februar und Montag, 2. März, 19 Uhr Lesung im Kieler Flandernbunker

War mein Opa Nazi? Ja, der eine schon, muss Bogislav-Tessen von Gerlach dazu sagen, der andere wurde verfolgt und zugrunde gerichtet. Es geht um Adolf Hitler und den Nationalsozialismus, seine Unterstützer und seine Gegner – und um das Nachdenken darüber ein Menschenleben später: Hohenstein ist ein idyllisches Gut mit schlossartigem Herrenhaus an der Eckernförder Bucht. Hier finden die Wege der Familien von Schröder und von Gerlach nach dem Zweiten Weltkrieg über eine Eheschließung zusammen - die eine hatte Adolf Hitler mit zur Macht verholfen, die andere hatte Angehörige im Widerstand gegen den Tyrannen verloren. Aus der Verbindung geht ein Sohn hervor: Bogislv-Tessen von Gerlach. Er hat diese historisch und biografisch spannende Familiengeschichte jetzt aufgeschrieben. Am 25. Februar liest er aus seinem Buch im Kieler Flandernbunker. Mit Anmeldung - Eintritt frei.

Am 17. Oktober 1945 heiratet der schwer kriegsversehrte Tessen von Gerlach im Herrenhaus von Gut Hohenstein bei Eckernförde die aus Köln stammende Anne-Marie von Schröder. Ihrer Familie gehört dieses idyllische Anwesen an der Ostsee, ganz in der Nähe des einst von Prinz Heinrich bewohnten Gutes Hemmelmark. Während die Mütter der beiden jungen Eheleute mit Familienangehörigen zu den Hochzeitsgästen zählen, können beide Väter nicht dabei sein: Tessens Vater, Carl-August von Gerlach, ist sechs Tage zuvor nach polnischer Deportation in einem ehemaligen Außenlager von Auschwitz gestorben. Von den Nationalsozialisten ist er als erklärter Gegner Hitlers zuvor aus der „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen worden und hatte auf seinem pommerschen Gut unter Hausarrest gestanden. Anne-Maries Vater, Kurt von Schröder, wird während der Hochzeit seiner Tochter derweil in Frankfurt vom American Security Office verhört: Er war im Januar 1933 maßgeblich an Adolf Hitlers Machtaufstieg beteiligt und hatte als vermögender Bankier das nationalsozialistische System bis zum Ende unterstützt.

Hatte die Braut noch 1939 wenige Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs fröhlich am Kaffeetisch mit Hitler auf dem Berghof am Obersalzberg gesessen, war ein Großneffe des Bräutigams, Ewald von Kleist-Schmenzin im April 1945 kurz vor Kriegsende unter dem Vorsitz des Blutrichters Robert Freisler angeklagt und dann durch dessen Vertreter Krohn  zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden.

Diese fast unglaubliche Familiengeschichte hat der 1946 geborene Sohn des Brautpaares, Bogislav-Tessen von Gerlach, jetzt aufgeschrieben in seinem Buch „Hohenstein. Ein deutsches Jahrhundert in Familienbildern“. Er hat seit 1980 in 5. Generation das Familiengut geführt und war als Jurist zuletzt bis 2012 Landrat.

Berge von Dokumenten hatte von Gerlach vor wenigen Jahren auf den staubigen Dachböden der Gutsgebäude entdeckt, darunter sowohl die NS-Prozessakten des Sondergerichts Belgard mit der Verurteilung seines Großvaters Carl-August von Gerlach wie auch die Prozessakten zum Entnazifizierungsprozess seines Großvaters Kurt von Schröder. Letzterer hatte bis zu seinem Tod 1966 ebenfalls zeitweise in Hohenstein gelebt. Dass zu den Freunden der Eltern von Gerlachs ebenso ein ehemaliger französischer Zwangsarbeiter zählt wie auch russische Frauen aus dem Gebiet von Demjansk und sogar der Direktor des einstigen Familiengutes im heutigen Polen, spricht für die Haltung zu Aufklärung und Versöhnung, die auf jeder Seites dieses außergewöhnlichen Buches deutlich wird. Das schlossartige Gut Hohenstein steht dabei als Sinnbild des Zusammentreffens der unterschiedlichsten Lebensgeschichten eines erschütternden Jahrhunderts.

Es war Jens Uwe Jess, der Eckernförder Verleger und Lektor des im November 2019 erschienenen Buches, der am Kieler Flandernbunker auf einem Plakat den Titel der aktuellen Ausstellung dort entdeckte: „War mein Opa Nazi?“. Dazu hatte er eine Geschichte anzubieten – jetzt liest der Autor Bogislav-Tessen von Gerlach daraus am 25. Februar um 19 Uhr im Flandernbunker, eine Diskussion ist im Anschluss möglich. Jens Rönnau, Mahnmal Kilian e.V.

Der Eintritt ist frei – um Spenden wird gebeten.

Der Verein Mahnmal Kilian bittet um Anmeldung mit Namen und Telefon unter info@Kriegszeugen.de oder Telefon 0431 – 260 630 9.

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